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Every hand’s a winner

In allem steckt eine Chance – jedes Pokerblatt kann gewinnen. Ja, selbstverständlich auch verlieren. Allerdings würde ein erfolgreicher Pokerspieler nie an den Tisch sitzen, um das Risiko zu minimieren – sonst würde er einfach nicht ins Spiel einsteigen. Dass wir uns nicht falsch verstehen: auch das ist eine solide Entscheidung – die Einstellung „Risiko ist nichts für mich und lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“ ist legitim und in Ordnung. Nur: wenn wir uns für das Spiel entscheiden, tun wir gut daran, es spielen zu lernen und dann auch konsequent zu spielen. Das in „The Gambler“ von Kenny Rogers in 1978 besungene Pokerspiel ist eine Lebensmetapher, die weit über jeden Spieltisch hinausreicht. Wenn wir Poker gerne auch mit “All-In” in Verbindung bringen, ist es nicht die Kernbotschaft, die wir als letztes Ass aus dem Song mitnehmen. Vielmehr sind es die feinen Nuancen, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen.

“You’ve got to know when to hold ’em” – du must wissen, wann du deine Karten hältst. „Know when to fold ’em“ – ebenso wissen, wann du passt, also weg gehst. „Know when to walk away“ – und im Endeffekt auch, wann du den ganzen Tisch verlassen solltest. „And know when to run“ – oder gar flüchten solltest. Das heißt für uns im Business, dass wir die Situation richtig einzuschätzen lernen dürfen. Das Risiko gegen die mögliche Chance abwägen und im Gesamtzusammenhang betrachten. Für einen Pokerspieler ist es unerheblich, ob er die eine Runde gewinnt oder nicht. Erst am Ende, wenn er den Tisch verlässt, steht das Ergebnis fest. Das gleiche gilt für uns im Business: Teilerfolge sind zwar schön und löblich, nicht immer jedoch erstrebenswert. Wir lernen viel mehr aus den nicht gewonnenen Runden, weil wir dann klareres Feedback bekommen.

“You never count your money, when you’re sittin’ at the table. There’ll be time enough for countin’ when the dealin’s done.” Zähle dein Geld nie, wenn du am Tisch sitzt, denn sonst könnten die anderen denken, du hast nicht mehr viel. Es ist Zeit genug zum Zählen, wenn das Spiel oder der Handel abgeschlossen ist. Das ist eine sehr stimmige Weisheit. Der Eindruck ist meist ein großer Teil des Gefühls, das wir für die Aktionen unseres Gegenübers bekommen. Und nicht nur der Schein nach außen ist hierbei wichtig, sondern auch unser eigenes Standing. Wenn wir also zwischendurch immer wieder Kassensturz in unserem Projekt machen, und dies offensichtlich mit Publikum, verursachen wir in uns selbst eine Unsicherheit, die wir dann auch ausstrahlen. Im Poker wie im Business geht es jedoch darum, die Chance in der Situation richtig einzuschätzen. Dabei kann es durchaus vorteilhaft sein, eine Runde „laufen zu lassen“ und diese dem Mitspieler, dem Konkurrent, zu überlassen. Wir gehen dann einige Schritte zurück, nur um Anlauf zu nehmen für den eigentlichen Sprung. „Every hand’s a winner“ – jede Hand kann gewinnen, also jedes Pokerblatt hat das Potenzial die Runde zu gewinnen. Es ist lediglich eine Frage des Zeitpunkts, der Strategie und des Ziels, ob und was wir aus genau diesem Blatt, genau dieser Chance oder Idee machen können. Nehmen wir eine Business-Idee, egal ob für ein neues Unternehmen oder innerhalb einer bestehenden Organisation für ein neues Konzept.

“Every gambler knows that the secret to survivin’ is knowin’ what to throw away and knowin’ what to keep” – Jeder Spieler weiß, dass es das Geheimnis des Überlebens ist, zu wissen, welche Karte man behält und welche man wegwirft. „’Cause every hand’s a winner and every hand’s a loser” – weil eben jedes Blatt gewinnen und ebenso verlieren kann. „And the best that you can hope for is to die in your sleep” – und am Ende kannst du eh nur hoffen, dass du im Schlaf stirbst.

Als der Spieler im Song sich dann zum Fenster dreht und zu atmen aufhört, findet der Zuhörer in seinen letzten Worten das Ass, das er für’s Leben behalten wird. Es ist die Lehre, die Moral der Geschichte, dass wir es immer selbst in der Hand haben, was wir aus einer Situation machen. Es ist eine also nicht nur die Nuancen des Glücks, sondern vielmehr die Vielzahl an Entscheidungen, die im Endeffekt über Sieg und Niederlage entscheidet. Und ob eine Entscheidung richtig war, wissen wir immer erst hinterher. Allerdings können wir bei einer getroffenen Entscheidung fast immer die Entscheidung mit dem Ergebnis in einen Zusammenhang stellen. Wenn es eine komplizierte Entscheidung war, wird sie konstant richtig oder falsch bleiben. Wenn es eine komplexe Entscheidung war, genügt die kleinste Änderung im System, um sie von richtig zu falsch oder umgekehrt switchen zu lassen.

Alles bis hierher gilt für’s ganze Leben – privat, in Beziehungen und natürlich auch im Business. Nun können wir daraus unseren eigenen Schluss ziehen, den wir als Chancenmanagement deklarieren können. Manche Chancen fliegen, laufen, gehen offensichtlich an uns vorbei, lächeln frech, provozieren uns, und dann entscheiden wir: nehme ich oder nicht. Andere Chancen sind getarnt, versteckt oder etwas scheu. Diese dürfen wir suchen oder ausgraben oder enttarnen. Also sind wir Goldgräber und Detektive im Namen der guten Chance. Oha, gut – ist jede Chance gut? Nein, ist sie nicht. Eine Chance ist nichts weiter als eine Idee mit Potenzial. Wie gut die Idee und wie hoch das Potenzial ist, steht in den Sternen. Ok, nicht nur in den Sternen, oft genug liegt das Potenzial auf der Hand – wo wir wieder beim Poker wären. Es lässt sich sehr genau ausrechnen, wie statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit des Sieges ist. Das qualifiziert jede Chance dazu, die entsprechende Beachtung zu bekommen, die sie verdient hat.

Was passiert, wenn wir Chancen nicht erkennen? Wenn wir sie nicht enttarnen können? Dann wird ein anderer sie aufnehmen und verwerten. Was also können wir tun, um eine Chance zu erkennen? Was können wir tun, um die goldenen Chancen auszugraben? Wir brauchen einen freien Kopf! Wir müssen spinnen können und dürfen und uns dies erlauben. Spinnen in Form von alle Varianten und Möglichkeiten durchspielen, die Kombinationen visualisieren und das Risiko gegen das möglichst beste Ergebnis abgrenzen. Und zwar erst im zweiten Schritt das Risiko abwägen. In der ersten Runde darf die Chance in den hellsten Farben, in den besten Kombinationen, möglichst bunt ausgemalt werden. Erst im zweiten Schritt erlauben wir uns, die Kontras anzusehen und über das „Wie“ nachzudenken. Oft beginnen wir mit dem „Wie“ und kommen sehr oft zu dem Ergebnis: „geht nicht, weil“. So lange wir den Wie-Weg wählen, werden wir Chancen immer vorbeiziehen lassen.

Und genau dies unterscheidet den erfahrenen Pokerspieler vom Rookie. Es ist fatal, die durchaus verständliche Unsicherheit des Rookies als Vorsicht zu betiteln. Fatal deswegen, weil ein echtes Knaller-Ergebnis nicht möglich sein wird. Mut ist schließlich nicht die Abwesenheit von Angst, sondern Mut ist, die Chance zu erkennen und trotz der Angst das Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen.

Der Chancenblick macht aus jedem Blatt eine echte Gewinnerhand.